Pressemitteilung / Sächsische Zeitung, 12.06. 2023

Der Leipziger Konrad Schöbel ist Musikstudent und leitet den Dresdner Chor Concentus Vocalis - mit gerade einmal 23 Jahren. Für ein Jubiläumskonzert fuchst er sich mit den Laiensängern in die Kantate "Carmina Burana" ein.

Von Juliane Just
Der 23-jährige Musikstudent Konrad Schöbel leitet den Dresdner Chor Concentus Vocalis an.
Der 23-jährige Musikstudent Konrad Schöbel leitet den Dresdner Chor Concentus Vocalis an.© René Meinig

Dresden. Es wird gestreckt, gedehnt, gehüpft. Was anmutet wie eine Erwärmung für ein sportliches Event, ist eigentlich das Warmmachen für die Sänger. "Was wir hier machen, ist Hochleistungssport, dementsprechend müssen wir uns vorbereiten", sagt Konrad Schöbel. Er ist Dirigent des Laienchors Concentus Vocalis und hat einen ambitionierten Plan.

Um genau zu sein: Seit zwei Monaten leitet der 23-Jährige den Chor. Er ersetzt den vorherigen Jung-Dirigenten Fabian Kiupel aus Bautzen, der eine Kantorenstelle in Görlitz ergattern konnte. Als Konrad Schöbel gefragt wurde, hat er nicht lange überlegt. "Die Carmina Burana ist eine Herausforderung, die mich sehr gereizt hat - gerade für mein Alter", sagt er.

Vom Leipziger Thomaner-Chor nach Dresden

Der junge Mann wirkt ein bisschen wie der nette Nachbarsjunge: Geringeltes Shirt, eine große Brille und einen blonden Schopf, durch den er sich beim Dirigieren immer wieder fährt. Man merkt ihm an, dass die Musik Dreh- und Angelpunkt seines Lebens ist. Mit welcher Hingabe er die Töne ansummt, wie elektrisiert er am Klavier steht, wie schnell seine Hände durch die Luft zucken. Der gebürtige Leipziger wurde mit zehn Jahren Sänger im weltberühmten Thomanerchor. "Seither mache ich nichts anderes als jeden Tag Musik", sagt er.

Das alles verwundert ein wenig, wenn man hört, dass seine Familie nichts mit Musik am Hut hat. Die renommierte Thomanerschule ist ab der vierten Klasse sein neues Zuhause. In dieser Zeit war der Film "Das fliegende Klassenzimmer" für den jungen Konrad der Hit. "Ich dachte mir: 'Ein bisschen singen und jeden Tag Kissenschlacht - das ist genau das, was ich will'", erinnert er sich zurück und lacht. Dass der Beruf des Dirigenten mehr als das ist, weiß er heute natürlich besser.

Dass er den Laienchor nun anführen darf, ist für Konrad Schöbel, der auch schon mit professionellen Ensembles gearbeitet hat, eine Besonderheit. Er spricht von einer Wärme, die ihm entgegengebracht wird, von einem respektvollen Miteinander. "Immerhin war ich noch Quark im Schaufenster, als der Chor gegründet wurde", sagt er. Seit 30 Jahren singen Dresdner jedweder Couleur als Konzert- und Oratorienchor zusammen. Geistliche und weltliche Musik, aber auch zeitgenössische Literatur stehen auf ihrer Agenda.

Dirigieren ist vor allem Organisation

Dirigieren ist für Konrad Schöbel zu 90 Prozent Organisation. Im Vorfeld der Proben lernt er Partituren und überlegt, wie er dem Chor seine Ideen vermitteln kann. Der Schritt vom Chorsänger zum Chorleiter hat ihn Überwindung gekostet, sagt der 23-Jährige. "Von 50 Personen bin ich der einzige, der in eine andere Richtung schaut. Es muss sich lohnen, dass ich auf der anderen Seite stehen darf", sagt er. Dieses Konzert gebe ihm und jedem einzelnen Sänger im Chor die Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen.

In der Aula des Marie-Curie-Gymnasiums probt der Dresdner Chor Concentus Vocalis wöchentlich. Für das Jubiläumskonzert wird die Kantate "Carmina Burana" geprobt, die stimmgewaltig ist.

In der Aula des Marie-Curie-Gymnasiums probt der Dresdner Chor Concentus Vocalis wöchentlich. Für das Jubiläumskonzert wird die Kantate "Carmina Burana" geprobt, die stimmgewaltig ist.

© René Meinig

Dass ein so junger Mann nun das Jubiläumskonzert mit den Mitgliedern probt, ist für die Chormitglieder erfrischend. "Ich glaube, dass uns das als Chor sehr guttut", sagt Peter Killian. Er ist Vorstandsvorsitzender und Mitglied der ersten Stunde. Er erinnert sich noch, als Matthias Backhaus als Kantor der Lukaskirche 1993 per Inserat in allen Tageszeitungen nah Sängern für Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart suchte. Auf Anhieb fanden sich 40 Sänger.

In relativ kurzer Zeit hatte der Chor ein hohes Niveau erreicht und ersang sich Bekanntheit über Dresdens und Sachsens Grenzen hinaus. Sie sangen auf dem Dresdner Theaterplatz, in der Synagoge, aber auch in Wien, in der Jahrhunderthalle in Bochum. Ein Highlight in all den Jahren war ein A-Capella-Konzert in Rom. Immer Weihnachtsoratorium, manchmal sogar alle sechs Kantaten mit Glühwein-Pause zum Verschnaufen.

Schockmoment für Dresdner Chor Concentus Vocalis

16 Jahre ist der Chor auf einem Höhenflug, dann folgt ein Schockmoment, der alles verändern wird. 2009 stirbt der Kantor Matthias Backhaus plötzlich. "Das war ein richtiger Schock und hat den Chor schwer blockiert", sagt Peter Killian. Die Mitglieder singen auf der Beerdigung ihres langjährigen Partners. Bei dem Gedanken daran fließen heute noch Tränen.

Mit dem neuen Dirigenten Peter Fanger wird es anfangs schwer, doch der Chor rappelt sich wieder auf. Es kehrt aber nicht lange Ruhe ein. Im Jahr 2016 wird der Chor "obdachlos", als der Kirchenvorstand der Lukaskirche sich von dem Chor trennt. Die Mitglieder gründen sich neu. Die "fetten Jahre" sind vorbei, Selbstverwaltung und Finanzen beschäftigen von nun an das Ensemble. "Wir haben einiges durch", sagt Peter Killian. Doch der Zusammenhalt bleibt, auch als Corona das gemeinsame Singen unmöglich machte.

Und das ist es auch, was Konrad Schöbel an diesem Laienchor so bemerkenswert findet. "Es ist beeindruckend, wie sich hier Menschen für eine Sache engagieren, die sich sonst nie im Leben begegnen würden", sagt er. Hier finden sich mehrere Generationen zusammen, die Altersspanne der Sänger liegt zwischen 20 und 89 Jahren. Hier ist nahezu jeder Stadtteil Dresdens vertreten und verschiedene Weltanschauungen. "In einer Zeit, in der wir uns immer mehr spalten, sind Chöre für mich Gebilde, die zusammenhalten."

 

 

Mutig und beeindruckend

Pressemitteilung / Konzertritik / Dresdner Neueste Nachrichten /13.10.2020, von Mareile Hanns

concentus vocalis Dresden in St. Petri

Die hiesige Musikszene wird nicht nur durch die großen, professionellen Orchester und Chöre geprägt, sondern auch und entscheidend durch die vielen kleinen, die Laienensembles und Kantoreien, die mehr oder weniger aus privater Initiative gespeisten Konzertreihen. Sie haben es ohnehin nicht leicht – etwa aus finanziellen Gründen, weil es an Nachwuchs fehlt usw. Und in diesen Corona-Zeiten ist alles noch schwerer. Insofern gilt allen, die durchgehalten haben, ihren Mut und ihre Liebe zur Musik behielten und jetzt mit neuen Projekten starteten, unsere uneingeschränkte Hochachtung und Bewunderung.

In diese Reihe gehört auch der Chor concentus vocalis Dresden – ein Ensemble, dass einige Unbill zu bewältigen hatte, sich 2016 neu gründete und nun unter der Leitung von Florian Mauersberger steht. Das jetzt in St. Petri gesungene Programm geht auf eine Idee zurück, die bereits im Sommer zur Ausführung kommen sollte. Im Zentrum steht britische, geistliche Musik und zwar solche, die in den traditionellen Abendgottesdiensten des Empires zuhause ist. Ralph Vaughan Williams gilt als ein wichtiger Vertreter der English Musical Renaissance. Wegbereiter dafür war u.a. Charles Hubert Hastings Parry. Chorwerke beider Komponisten erklangen nun hier. Wenn man bedenkt, wie abenteuerlich die Probenmöglichkeiten in den letzten Monaten waren, ist die erbrachte Leistung nur erstaunlich. So einfach singen sich weder Vaughan Williams noch Parry nicht! Zusammen mit einem Orchester Dresdner Musiker huldigte man mit Genuss und Können üppiger Klangpracht und ausdrucksmäßiger Plausibilität. Sicher gab es mit der Intonation oder der Textverständlichkeit hin und wieder Probleme. Aber Florian Mauersberger und sein Chor sind auf einem guten Wege. Und nur das zählt! Ralph Vaughan Williams riesiger Lobgesang „Benedicte“ lebt von hymnischer Erhöhung und dynamischen Kontrasten. Damit kam der Chor gut zurecht. Mit ihrer schönen, schlanken Stimme passte sich die Solistin Kerstin Döring gut hinein. Die Schnörkellosigkeit, das sich schlichte Hineinvertiefen in Benjamin Harlans „Be still my soul“ zeichnete die Sängerin an diesem Abend besonders aus. In schönem, abgerundetem Ensembleklang und auch hier intensiver Gestaltung brachten concentus vocalis Dresden zudem Parrys prächtigen Lobgesang, das Magnificat in F, zu Gehör.